Was passiert, wenn Rechtsextremisten regieren? Diese Frage stellen sich einige in der Bevölkerung, aber auch in der deutschen Verwaltung. Daher haben wir den Autoren und Aktivisten Arne Semsrott zu unseren #NExTperspektiven am 29.08.2024 eingeladen, der diese Frage in seinem neuen Buch und Spiegel-Bestseller „Machtübernahme“ behandelt.  

Arne wies gleich zu Beginn auf die Ungleichzeitigkeit der Wahrnehmung dieser Bedrohung hin. Während diese „Machtübernahme“ für Verwaltungsmitarbeiter:innen in Schleswig-Holstein im Sommer 2024 tendenziell ein eher theoretisches Szenario ist, wird sie in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mit den anstehenden Landtagswahlen viel konkreter. Und in manchen Kommunen ist sie bereits Realität. 

Dass die Demokratie mit einem Schlag abgeschafft wird, davor hat Arne Semsrott wenig Sorge. Er weist aber auf die tausend kleinen Schritte hin, die zu einer schleichenden Abschaffung demokratischer Elemente führen, die nach und nach unser Gemeinwesen unterhöhlen. Der „Temperaturanstieg“ erfolge langsam – und darin liegt die Gefahr.  

„Verlangsamen, das können wir“ 

Was also tun, wenn Rechtsextremisten in der eigenen Behörde die Macht übernehmen? Arne hat uns einige Ideen mitgebracht, die wir gemeinsam diskutiert und erweitert haben.  

  • Vorbereitet sein: Egal ob eine „Machtübernahme“ droht oder nicht. Jede:r sollte sich heute schon überlegen, was die eigenen roten Linien sind. Außerdem ist es sinnvoll, sich ebenfalls heute schon über die eigenen Rechte und Pflichten im Klaren zu sein. Dazu gehört auch, welche Szenarien im eigenen Wirkungskreis möglich wären und wie man ihnen begegnen könnte. Die eigene mentale Vorbereitung ist das A und O.  
  • Banden bilden: Wer von den eigenen Kolleg:innen tickt so wie man selber? Haben sich andere schon mental auf den Fall vorbereitet und wenn ja, wie? Netzwerke helfen, um persönliche Nachteile zu verhindern oder zu vermindern, wenn man ins Kreuzfeuer geraten sollte. Sie stärken einem auch mental den Rücken. Netzwerk und Hilfe gibt es auch bei Gewerkschaften. Es lohnt sich, über einen Beitritt heute schon nachzudenken. 
  • Mechanismen nutzen, die da sind: „Verlangsamen, das können wir“, war die Reaktion auf eben diesen Vorschlag, Prozesse im Falle des Falles durch die langsamen bürokratischen Mühlen mahlen zu lassen. Das gibt Zeit, Verbündete zu informieren und ins Boot zu holen. Verantwortung sollte verteilt, Vermerke etc. erstellt werden.  
  • Remonstrieren: Beamt:innen haben rechtliche Möglichkeiten – bzw. sogar die Pflicht – Einwände zu erheben, wenn sie an der Rechtmäßigkeit von Anweisungen zweifeln. Sprecht auch über diese Möglichkeiten mit Euren Kolleg:innen. Hier sei der Moment, so gab uns Arne Semsrott mit, den Eid auf das Grundgesetz mit Leben zu füllen. Und auch hier helfen gebildete Netzwerke, die die Effektivität einer Remonstration erhöhen können. Weitere Informationen gibt es z.B. hier beim dbb.  
  • Personalräte einbinden: Personalräte sind auch für solche Fälle die richtigen Ansprechpartner. Sie sollten miteinbezogen werden, denn sie sind genau für solche Fälle da. Auch hier lohnt es sich, das Thema bereits präventiv anzusprechen. Vielleicht hat der eigene Personalrat auch bereits Handreichungen entwickelt und stellt Informationen zur Verfügung.  
  • Nach außen wenden: Durch die Whistleblower-Richtlinie der EU gibt es Möglichkeiten, sich an externe Ombudsstellen zu wenden, z.B. an die externe Meldestelle des Bundes beim Bundesamt für Justiz. Für Polizist:innen hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte das Projekt „Mach Meldung“ ins Leben gerufen. Hieraus lassen sich auch Informationen für andere Beamt:innen ableiten. Auch Medien können kontaktiert werden. Schon heute lohnt es sich, sich darüber zu informieren, wie man das für sich persönlich sicher und ggf. auch anonym machen kann. Die SZ bietet beispielsweise einen entsprechenden Zugang und auch an „Frag den Staat“ kann man sich anonym wenden.  

Nichtstun ist keine Option 

Klar war in der Runde: Nichtstun ist keine Option. Wir sind jetzt aufgefordert, den Zusammenhalt zu stärken – nicht nur im Privaten, sondern auch im Kollegium. Sich vorbereiten und mit dem Thema auseinandersetzen kann auch helfen, das Gefühl der eigenen Ohnmacht zu besiegen. Diese Auseinandersetzung kann einem selber klarmachen, in welchem Rahmen man wie handeln kann und das Wissen darum, dass man nicht alleine ist, stärkt einem den Rücken. In unserer Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass auch wir tausend kleine Schritte machen können (und müssen), um die Resilienz unserer Verwaltungen, Gesellschaft und damit unserer Demokratie zu erhöhen. Außerdem liefert die Beantwortung der Fragen hoffentlich für einen selbst die Frage, die sich laut Arne Semsrott gerade viele Verwaltungsmitarbeitende stellen: Should I stay, or should I go? 

Am heutigen Tag haben mehrere (ehemalige) Regierungsmitglieder und Verwaltungsmitarbeiter:innen bei Re:Form einen offenen Brief zur wehrhaften Verwaltung veröffentlicht, den auch Ihr unterzeichnen könnt.  

Außerdem wurde das Papier „Normalisierung von unten: Das Ringen der AfD um kommunale Ämter“ empfohlen, das vom Institut für demokratische Kultur veröffentlicht wurde.  

Für den Kontext “Bildung & Schule”, ggf. Auch übertragbar auf andere Bereiche, hat die GEW Informationen bereitgestellt und eine Linksammlung am Ende.  

Wenn Ihr noch weitere Ressourcen, insbesondere Handreichungen für den Umgang mit Rechtsextremen im Verwaltungskontext kennt, teilt sie mit uns, wir ergänzen sie gerne.  

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