Gastbeitrag: Wie viele Netzwerke braucht die Verwaltungstransformation?
Gastbeitrag von Ann Cathrin Riedel (Geschäftsführerin NExT e.V.) im Tagesspiegel Background Smart City.
Gastbeitrag von Ann Cathrin Riedel (Geschäftsführerin NExT e.V.) im Tagesspiegel Background Smart City.
Netzwerke sind ein zentrales Mittel, um die Verwaltung zukunftsfähig zu machen. Kaum einen Vortrag zur Verwaltungsmodernisierung, in dem nicht das Wort „Vernetzung“ fällt. Und in der Tat: Wer sich mit Gleichgesinnten austauscht, bekommt nicht nur neue Impulse, sondern auch konkretere Handlungsperspektiven. Aber bei über 70 identifizierten Netzwerken allein im Bereich Verwaltungstransformation stellt sich die Frage: Kommt man da eigentlich noch zum Arbeiten? Oder sind wir bereits in einer Netzwerkspirale gefangen, die mehr Energie kostet, als sie bringt?
Diese Fragen treiben viele um und sie sind berechtigt. Gleichzeitig helfen plakative Antworten nicht weiter. Es braucht eine differenzierte Auseinandersetzung: Was leisten Netzwerke? Wo liegen die Grenzen? Und wie gelingt ein sinnvoller Umgang mit der wachsenden Zahl an Angeboten?
Bei Next e. V. haben wir eine vom Bundesministerium des Innern und für Heimat geförderte Studie umgesetzt, die diesen Fragen systematisch nachgegangen ist. Darin haben wir nicht nur die erwähnten über 70 bestehenden Netzwerke identifiziert und aufgelistet, sondern auch gezeigt: Netzwerke haben nachweisbare Mehrwerte, für Individuen ebenso wie für Organisationen, für kleine Kommunalverwaltungen genauso wie für Bundesbehörden.
Sie dienen der Wissensvermittlung, schaffen Inspiration, geben Orientierung, fördern informellen Austausch und ermöglichen oft erst die praktische Umsetzung von Ideen. Viele berichten, dass sie durch Netzwerke erstmals konkrete Anknüpfungspunkte für eigene Projekte gefunden haben. Andere erleben, dass sie sich im Netzwerk zum ersten Mal überhaupt trauen, Fragen zu stellen oder Zweifel zu äußern. Netzwerke können Ermutigungsräume sein, in denen das sonst so oft mühsame und isolierte Vorankommen in der Verwaltung an Tempo und Richtung gewinnt.
Diese Wirksamkeit entsteht jedoch nicht automatisch. Sie ist nicht die Folge bloßer Mitgliedschaft oder Teilnahme. Sie entsteht durch echte Verbindung, Relevanz und Vertrauen. Genau hier liegt eine der zentralen Herausforderungen.
Denn so unterschiedlich wie die Menschen in der Verwaltung sind, so unterschiedlich sind ihre Bedarfe. Es gibt Kolleg:innen, die sich in große, thematisch breite Netzwerke einbringen, um sich inspirieren zu lassen und ein Gefühl für die große Transformationsbewegung zu bekommen. Andere suchen gezielt den Austausch zu einem hochspezialisierten Thema, sei es der Umbau kommunaler IT-Infrastrukturen, die digitale Personalakte oder die Zusammenarbeit mit Start-ups. Manche brauchen den geschützten Raum unter Verwaltungsbeschäftigten, andere schätzen die gemischten Formate mit Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder Politik. Wieder andere profitieren vor allem dann, wenn sie über Monate hinweg gemeinsam mit einer kleinen Gruppe an konkreten Lösungen arbeiten.
Das heißt: Nicht jedes Netzwerk muss alles leisten. Im Gegenteil, je klarer ein Netzwerk seine Zielgruppe und seinen Nutzen benennt, desto einfacher wird es für Interessierte, das passende Angebot zu finden. Vielfalt ist kein Problem, solange sie mit Klarheit einhergeht. Was es jedoch braucht, ist eine gewisse Stringenz in der Kommunikation. Wenn Netzwerke ihre Ziele und Angebote nicht transparent darstellen, fällt es schwer, als potenziell Interessierte:r zu entscheiden, ob und warum man sich einbringen sollte.
Gleichzeitig sehen wir auch ein anderes Problem: Es netzwerken immer noch zu wenige. Viele kennen die bestehenden Angebote nicht oder fühlen sich nicht angesprochen. Andere erleben keine Freiräume in ihren Organisationen, um überhaupt an Netzwerkformaten teilnehmen zu können. Wieder andere glauben, dass Netzwerken nicht produktiv sei oder „nichts bringt“. Dabei zeigt unsere Studie klar: Netzwerken ist nicht „nice-to-have“, sondern Teil moderner Verwaltungspraxis. Wer Transformationsprozesse gestalten will, braucht Anschluss – fachlich, methodisch, menschlich.
Deshalb richten sich unsere Handlungsempfehlungen in der Studie auch an unterschiedliche Ebenen: Einzelne können lernen, wie sie den Einstieg ins Netzwerken finden und für sich passende Formate entdecken. Vorgesetzte und Arbeitgeberorganisationen wiederum sind gefordert, Netzwerkarbeit zu ermöglichen, sichtbar zu machen und strukturell zu unterstützen. Denn ohne entsprechende Rahmenbedingungen bleibt Netzwerkarbeit ein Engagement nebenbei – mit entsprechend begrenztem Wirkungspotenzial.
Und noch eine Frage treibt viele um: Wenn es so viele Netzwerke gibt, wie verhindere ich, mich darin zu verlieren? Auch das ist eine realistische Sorge. Netzwerken macht nicht nur Sinn, es macht oft auch Spaß. Man trifft Gleichgesinnte, erfährt Neues, bekommt Anerkennung. Aber wie so oft im Leben braucht es auch hier Selbstdisziplin. Nicht jede Einladung muss angenommen, nicht jedes Format besucht werden. Entscheidend ist, sich regelmäßig zu fragen: Was bringt mich und meine Arbeit weiter? Wo habe ich den größten Hebel, wo kann ich mich sinnvoll einbringen? Und wann ist es auch mal gut?
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet daher: Es braucht viele Netzwerke – aber nicht für jede:n alle. Wir sollten die Vielfalt an Netzwerken nicht als Problem, sondern als Möglichkeit begreifen. Die Möglichkeit, Menschen auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen. Ihnen zu helfen, Anschluss zu finden. Ihre Rolle in der Transformation neu zu definieren. Und die große Aufgabe der Verwaltungstransformation auf mehr Schultern zu verteilen. Entscheidend ist nicht die Anzahl der Netzwerke, sondern ihre Zugänglichkeit, ihre Passung und ihre Klarheit im Angebot.
Verwaltungstransformation braucht Community. Nicht nur, weil es alleine oft zu schwer ist. Sondern weil es zusammen besser geht.
Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel Background Smart City.
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